Letztes Wochenende – Sommerloch sei dank – erschien in der Wochenendausgabe der Presse eine Kolumne, in der es um das vermeintliche Hassobjekt aller geht: Rennradfahrer.

Dem Fußgänger ist er meist relativ egal, außer er meint grade, über eine für Radfahrer konzipierte Brücke zu latschen, anstatt über die wenige Meter weiter gelegene Fußgänger-Brücke (Stichwort Praterbrücke). Dem (telefonierende) Hundehalter, dessen Wastl ja noch niiie jemandem was getan hat, deswegen läuft er ohne Maulkorb und Leine auf dem Radweg durch die eh schon sehr schmale Unterführung von der Reichsbrücke zur Lasallestraße, ist er schon nicht mehr ganz so Wurscht. Dem Jogger ist er wahrscheinlich noch nie aufgefallen, er hat in der Mitte der geteilten Fläche laufend mit voll aufgedrehter Musik auf beiden seiner Kopfhörer eh kein Auge für die Umgebung. Ist ja schließlich nicht sein Problem. Ein bisserl giftiger wird der Ton, wenn man so manchen fragt, der täglich mit dem Rad pendelt – aber man kennt sich und wenn sich alle an die Regeln halten, kommt es kaum bis gar nicht zu Problemen. Weiter geht es mit den Freizeit-Radlern und Touristen auf CityBikes. Gaaanz schwieriges Thema. Natürlich sind sie meist zu zweit nebeneinander unterwegs und reagieren zutiefst geschockt, wenn man seinen Freilauf ordentlich nach hinten zieht – RRRRRAAATSCHHH – oder ruft, dass man von links kommt. Diese Radrowdies! Unglaublich! Bis hin zu den Autofahrern: Das personifizierte Übel auf IHREN Straßen, die sie vermeintlich komplett selbst bezahlt haben. Der Parasit. Ein leidiges Geschwulst, dass man zwar nicht einfach wegmachen (oder besser gesagt, umfahren) kann, aber doch bitte zumindest mit 20 cm überholen darf und dabei seine Scheiben zu putzen, wenn da schon jemand meint, auf der IHREN Straße fahren zu müssen. Ergo: ein ungern gesehener „Gast“, überall und immer – statt dem, was er wirklich ist: ein Verkehrsteilnehmer mit Daseinsberechtigung.

Zurück zu der Kolumne, die im Netz unter dem Tag „Am Herd“ zu finden ist und die sich „Weiberrede“ nennt. Hallo Presse, 21. Jahrhundert sagt euch schon was? Oder müssen die Frauen bei euch noch immer aus der Küche schreiben? Meine Mutter hat mich zum Glück anders erzogen. Das erste Mal in meinem Leben fühlte ich mich bemüßigt, eine nette Antwort via Mail zu schreiben – so einen Gehirnfurz kann man wirklich nicht unkommentiert lassen. Ich möchte euch dies aber nicht vorenthalten, deswegen habe ich mich für eine öffentlich Antwort entschieden. Vielleicht sieht sie ja bei der nächsten Radfahrt davon ab, einen Zug vom „Joint, den ein Graffitischwein raucht“, zu nehmen? Und was zur Hölle ist eigentlich ein Graffitischwein?

Der „Tatort“ Donaukanal auf der globalen Strava-Heatmap
© Strava 2017 | © Mapbox © OpenStreetMap © DigitalGlobe

Die Kolumnistin fährt verträumt über einen gemischten Rad- und Fußgängerweg – den Donaukanal. Halbwegs vernünftig kann man ja nur die eine Seite vom Donaukanal befahren, auf der anderen sind kaum Fahrrad-Rampen. Er dient als eine wichtige Verbindung vom 3. in den 1. über den 9. bis hin in den 19. Bezirk – und das ganz ohne Autos! Ein Traum. Oder doch nicht? Ihre Ausfahrt wird vehemment durch einen Rempler von einem Rennrad-Fahrer gestört. Sie meint dazu:

„Ich kenne sie. Solche Männer – fast ausschließlich sind es Männer – fahren dicht über ihr Rennrad gebeugt. Die meisten sind älter. Wie alt genau, ist schwer zu sagen, weil sie oft ausgezehrt aussehen und verhärmt. Sie weichen nicht aus, sie erwarten selbstverständlich, dass du ihnen aus dem Weg gehst.“ Wissen Sie, Frau Steiner, ich kenne „sie“ auch. Diese Hans-Guck-in-die-Lufts, idealerweise mit Kopfhörern drinnen, die genau in der Mitte des Weges im Schritt-Tempo vor sich her zuckeln, gerne auch zu zweit ins Gespräch vertieft oder vollkommen in ihrer eigenen Welt gefesselt. Gern auch mal mit ein bisschen mehr Kilos auf den Rippen, als das Rad eigentlich zulässt. Aber wer bin ich, über das Aussehen anderer zu urteilen? Sowas machen doch eigentlich nur oberflächliche Idioten. StVO? Noch nie gehört. Runter schalten vor einer Ampel? Wieso? Rücksicht? Och, ich fahr ja eh so selten…

Mal ganz abgesehen von dem Schubladendenken, dass sie hier an den Tag legen. MAMILs – hihihi. Finde ich gar nicht so lustig. Denn: nach wie vor ist der Radsport eine Männer-Domäne, obwohl es so fantastische Frauen auf dem Rad gibt. Obwohl es sogar in Wien einen eigenen Verein gibt, der Pioniersarbeit darin leistet, Frauen für den Radsport zu begeistern (Danke Mitzis!). Und ich sogar das Gefühl habe, dass mich bei den Ausfahrten dieses Jahr mehr Frauen mit rundem Lenker grüßen (oder auch nicht – einige Sehen scheinbar nur den Po des Vor-Fahrers?) als letztes Jahr. Und trotz dessen, dass es der Radsport in Österreich echt nicht leicht hat – sowohl auf Amateur, als auch in der Profi-Ebene, soweit ich das beurteilen kann. Und last but not least: der Idiot, der Sie blöd mit einem Rennrad überholt, wird Sie genau so bescheuert mit einem Auto überholen. Oder einem LKW. Oder einem Bus. Denn, und jetzt halten Sie sich bitte fest: nicht das Gefährt, sondern die Person ist Schuld. 

Um Ihre Frage, ob „wir Rennradfahrer“ „euch nicht sportlich-ambitionierte Radfahrer“ verachten: ich kann hier nur für mich sprechen, aber die Allermeisten von „uns“ saßen vor dem Rennrad-Fahren auch lange auf einem gemütlichen Citycruiser, einem Mountainbike oder ähnlichem. Die Einstellung, jemanden zu verachten, ist einem guten Miteinander nicht zuträglich – und „wir“ verbringen ziemlich viel Zeit in diesem Miteinander: bei mir waren es dieses Jahr bis heute knapp 300 Stunden und 7000 Kilometer. Ich will nicht 300 Stunden lang „jemanden verachten“ – sondern lediglich mein liebstes Hobby in Ruhe ausführen. Und glaubns‘ ma: ich würde mich auch lieber von der Haustür auf die Donauinsel, oder idealerweise, nach Tuttendörfl beamen! Oder noch besser: eigenere Rennrad-Infrastruktur neben Gehsteig, Radweg, Parkfläche und Straße – Fußballkäfige werden ja auch wie Sand am Meer ohne vernünftiger Absicherung mitten in die Stadt gerotzt. So lange es das alles nicht spielt und halb Wien aus allen Wolken fällt, weil 500m Radweg gebaut werden sollen, werden auch weiterhin Rennradfahrer die Rad-Infrastruktur nützen (müssen). Wobei man auch sagen muss: Auf Strava, dem Facebook der Radfahrer, wurde die Top-Ten-Plätze auf den Donaukanal-Segmenten ausnahmslos bei Early-Bird-Ausfahrten, häufig kurz nach Sonnenaufgang, gemacht. Weil es halt einfach nicht geht, Stichwort Rücksicht und dass das Fortbewegungsmittel einen Trottel nicht zum Trottel macht.

Sie fragen sich außerdem: „Ein Rekord? Wovor radelt der Rennfahrer mit der schwarzen Funktionskleidung am Donaukanal eigentlich davon? Ist es das Alter? Ist es das Unglück? Die Langeweile?“ Oder möglicherweise doch vor der Ignoranz und kognitive Unfähigkeit (Stichwort Schubladendenken) einer Presse-Kolumnistin, die sich um die wahren Probleme der Frau, wie zum Beispiel einen Bikini im November für ihren Bobo-Urlaub zu kaufen, kümmert? Immerhin haben Sie ja auch bis Mitte der Nuller-Jahre Kulturjournalismus an der Uni Wien unterrichtet, wenn ich das richtig lese? Das würde natürlich auch die wachsende Anzahl der grottenschlecht recherchierten, reißerischen Zeitungs-Artikel erklären, die sich journalistisch unter jedem Niveau bewegen.  Es scheint fast so, als fehle Ihnen ein bisschen an Motivation – in journalistischer Hinsicht. Ach, Motivation und Ambition…

Vielleicht könnte Ihnen ja eine kleine Ausfahrt auf einem Rennrad wieder etwas Ambitionen und neue Blickwinkel verschaffen. Die positiven Auswirkungen von Ausdauersport auf Körper und Psyche sind unbestritten. Die mediative Wirkung einer langen Ausfahrt ist unbezahlbar! Und man lernt auch, dass die eigenen Ansprüche nicht die einzigen sind – denn die Welt dreht sich nicht um einen selbst. Rücksicht. Vorsicht. Vorrausschauen. Toleranz. Verständnis. Gleichheit. Leistung. Spaß. Das alles sind Dinge und Erlebnisse, die ich beim Rennrad-Fahren gelernt habe – und die in der Gesellschaft immer mehr an Bedeutung verlieren. Denn im Endeffekt dreht sich alles darum: Share the road!  Melden Sie sich gern bei mir. (-;

 

 

Pic by Martin Granadia // 169k.net